54. Jahrgang Nr. 3 / März 2024
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Ausgabe Nr. 4 Monat April 2004
Die Passion Christi von Mel Gibson (Filmbesprechung)


Ausgabe Nr. 4 Monat April 2004
Buchhinweise- Der römische Katechismus (Catechismus romanus)


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Werner Olles: Leben und Werk des heiligen Don Bosco


Ausgabe Nr. 6 Monat Juli 2004
Werner Olles: Islam heißt Gottvertrauen


Ausgabe Nr. 6 Monat Juli 2004
Werner Olles: Warum ich römisch-katholisch bin - Brief an einen muslimischen Freund


Ausgabe Nr. 3 Monat April 2005
Die Krise der Kirche ist hausgemacht


Ausgabe Nr. 3 Monat April 2005
Neues aus der Konzilskirche


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Wider den Relativismus


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Vom Elend der Postmoderne


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Zur Theologie und Philosophie Joseph Ratzingers


Ausgabe Nr. 7 Monat Dezember 2005
Der Rosenkranz ist unser Maschinengewehr!


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Pro Familia agiert an hessischen Schulen


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Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind


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Vom Kampf der Kulturen zum Krieg der Ideen


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Zur derzeitigen Situation der Kirche


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Sobre la situación actual de la Iglesia (esp.)


Ausgabe Nr. 8 Monat October 2003
A propos de la situation actuelle de l’Eglise (fr.)


Ausgabe Nr. 8 Monat October 2003
A commentary on the present situation of the Church (engl.)


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Bücherbesprechung: Udo Ulfkotte/Hans-Peter Raddatz


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À la recherche de ´unité perdue


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Auf der Suche nach der verlorenen Einheit


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Vom Kampf der Kulturen zum Krieg der Ideen
 
Vom "Kampf der Kulturen" zum "Krieg der Ideen"

- George W. Bush auf den Spuren Samuel P. Huntingtons -

von
Werner Olles

Im Sommer 1993 veröffentlichte der Politikwissenschaftler und Harvard-Professor Samuel P. Huntington in der einflußreichen Zeitschrift "Foreign Affairs" einen Essay mit dem provozierenden Titel "The Clash of Civilisations". Seine Hauptthese lautete kurz und bündig, daß die Welt nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums und dem damit verbundenen Ende des Kampfes der Ideologien nun einem Zeitalter globaler Kulturkämpfe entgegengehe. Die Gewißheit dafür entnahm Huntington einem kulturgeographischen, -biologischen und -zyklischen Zivilisationsmodell, das Kultur und Zivilisation als weitgehend identisch betrachtet, und das er in enger Anlehnung an Oswald Spenglers organisches und kulturmorphologisches Geschichtsdenken für seine eigene macht-begriffliche Kulturdefinition nutzbar machte. 1) Zwar prophezeite Huntington noch nicht den "Untergang des Abendlandes", konstatierte jedoch, daß mit der Auflösung traditioneller politischer Herrschaft, der chaotischen multikulturellen Diversifikation und dem damit zwangsläufig verbundenen Verfall der nationalen Einheit die politische Stabilität eines Gemeinwesens nicht mehr gewährleistet sei. Huntington wähnte, daß das "alte Europa" - ein Begriff, der kurioserweise zehn Jahre später im Zusammenhang mit den politisch-diplomatischen Vorbereitungen der USA zum Irak-Krieg erneut auftauchen sollte -, den diversen ethnischen Interventionen nicht gewachsen sei und seines Grundbestandes an okzidentalem Erbe verlustig ginge, um sich schließlich in ein amorphes politiko-kulturelles Gebilde zu verwandeln.

Diese Einschätzung ist zunächst nur aus den Spezifika nordamerikanischer Mentalitäten und dem US-internen Kampf der Kulturen - Stichworte: Hispanisierung und demographischer Vorsprung des afroamerikanischen Bevölkerungsteils - zu erklären. Huntington war auch beileibe nicht der erste, der nach dem mit dem Kollaps des sowjetischen Imperiums verbundenen Ende des Kalten Krieges auf die neuen identitätspolitischen Grenz- und Kampflinien hinwies. Bereits drei Jahre zuvor hatte Bernard Lewis in der Zeitschrift "The Atlantic Monthly" mit seinem Aufsehen erregenden Artikel "The Roots of Muslim Rage" die Thematik eines Kampfes der Weltkulturen angesprochen, aber kaum Anklang und Beifall gefunden. Es blieb Huntington vorbehalten die von seinem Schüler Francis Fukuyama imaginierte Verabschiedung des Westens aus der Geschichte als Endzeit-Paradigma abendländischer Theoriebildung und als die Große Illusion des 21. Jahrhunderts zu entlarven.

Während Fukuyama 1992 in seinem Bestseller "Das Ende der Geschichte" noch damit beschäftigt war die Vereinbarkeit von Konfuzianismus und Demokratie nachzuweisen, traten zwei Jahre später mit Zbigniew Brzinski und Henry Kissinger zwei weitere Geostrategen auf den Plan, die in ihren Büchern "Macht und Moral. Neue Werte in der Weltpolitik" und "Die Vernunft der Nationen. Über das Wesen der Außenpolitik" die Ausbreitung des Islams nach Norden und der sinischen Macht in Südost- und Zentralasien und das damit verbundene "Aufeinanderprallen der Zivilisationen" an der imperialen Peripherie thematisierten. Wie Huntington bezogen auch sie sich auf Arnold J. Toynbees bereits Ende der vierziger Jahre ausgesprochene Warnung vor der Gefahr, die von einem "äußeren Proletariat" ausgeht. Doch der Harvard-Professor glaubte längst nicht mehr an die integrative Kraft einer alles überspannenden Erfahrung des "american way of life" und eines aus der Ideologie des Republikanismus entstandenen genuin amerikanischen Regulativs. Seine Warnungen vor einer Wiederbelebung des Islam und der kommenden Bedeutung des chinesischen Konfuzianismus als einem weit über den eigentlichen chinesischen Kulturkreis hinausreichenden Kulturnationalismus, die beide völlig neue, eigenständige Kulturtypen hervorbringen und die untergehende europäische Hochkultur ablösen werden, hält er - für Amerika und den gesamten Westen - für eine Katastrophe. Wie Spengler, auf den er sich immer wieder beruft, sieht Huntington die gesamteuropäische Kultur als einheitlichen Organismus - trotz aller EU-Bemühungen - bereits im Abstreben begriffen und bezweifelt sogar deren Fortbestehen als eine international organisierte Zivilisation. Und genau wie der "kleine Metternich" Kissinger zieht er daraus die Konsequenz, daß Amerika "zum dritten Mal in diesem Jahrhundert eine neue Weltordnung schaffen (muß)". 2)
Huntingtons Reduktion der Krise des Westens, oder genauer gesagt: der westlichen Art zu denken, zu leben und Politik zu betreiben, auf ein simples Globalisierungs-Paradigma ist im Grunde ein von Endzeitbewußtsein geprägtes schlichtes kulturpessimistisches Stimmungsbild. Die nichtwestlichen Kulturen, vor allem die islamische, scheinen durch "Kriegslust und Gewaltbereitschaft" genetisch codiert zu sein: "Die Grenzen des Islam sind in der Tat blutig, und das Innere ist es ebenfalls!" 3) Und ganz in diesem Sinne tönte es bereits 1996 unter Clinton aus dem Weißen Haus: "Es gibt Augenblicke, in denen Amerika und ausschließlich Amerika den Unterschied zwischen Krieg und Frieden machen darf, zwischen Freiheit und Repression, zwischen Hoffnung und Angst." 4) Schöner kann man die Quintessenz des hegemonialen Diskurses aus Huntingtons "Kampf der Kulturen" wohl kaum definieren.

Mit der sogenannten "Sieben-Stadienlehre": "Vermischung, Reifung, Expansion, Zeitalter des Kon-flikts, Weltreich, Niedergang, Invasion" war er zudem im Besitz eines beeindruckenden Zivilisations-Paradigmas, das Spenglers Kulturbiologie mit den urkulturellen Werten des westlichen Willens zur Dominanz anreicherte: "Der Westen ist der einzige Kulturkreis, der in jeder anderen Kultur oder Region wesentliche Interessen wahrzunehmen hat und die Fähigkeit besitzt, Politik, Wirtschaft und Sicherheit jeder anderen Kultur oder Region zu beeinflussen."5 ) Diese Doktrin ist im strengen und objektiven Sinne des Wortes imperialistisch. Das Problem ist nur, daß der Westen sich nach seinem Sieg über den kommunistischen Ostblock zwar einerseits auf dem Höhepunkt seiner Macht befindet, andererseits jedoch kulturell, militärisch und moralisch bereits auf dem absteigenden Ast sitzt. Huntington spricht vom "Verblassen des Westens", von einer "reifen Kultur an der Schwelle zum Verfall" und meint damit primär dessen nachlassende Verteidigungsbereitschaft und die kontinuierliche Abwendung von Geopolitik und Geokultur.

Eng verbunden mit diesem Niedergang, der schon das Tor zum nächsten und letzten Stadium, der Invasion, öffnet, ist natürlich die Vorstellung, daß besonders Europa "weit offen (ist) für "barbarische Eindringlinge", die aus anderen, jüngeren, kraftvolleren Kulturkreisen kommen." 6)

Huntingtons Vorstellung von Europa ist die eines schwindsüchtigen Patienten, der von seiner Krankheit noch nichts ahnt, auch wenn sich seine inneren Organe, die Metropolen und Regionen, aber auch die Institutionen bereits teilweise zersetzt haben. Tatsächlich hat jedoch gerade das viel traditionsärmere Amerika ohne größere Widerstände sein europäisches Erbe zugunsten des mißglückten Versuchs einer Integration raumfremder Einflüsse verraten und sich dem trügerischen Projekt einer Schmelztiegel-Politik mit allen Merkmalen sozialer, kultureller und moralischer Degeneration ausgeliefert. Wenn Huntington also Kulturen als "die ultimativen menschlichen Stämme" beschreibt und den "Kampf der Kulturen" als "Stammeskonflikt im Weltmaßstab", wird an dieser globalen Biologisierung deutlich, daß es eigentlich um nichts anderes als Machtpolitik geht. Aber selbst wenn man Huntingtons These folgt, daß der Islam die Welt beherrschen will und die islamischen Staaten korrumpiert sind, bleiben dabei einige klassische außenpolitische konservative Einsichten in die vitale Nützlichkeit internationaler völkerrechtlicher Regeln und Normen auf der Strecke.

Für Huntington ist "die Bevölkerungsexplosion in muslimischen Gesellschaften und das riesige Reservoir an oft beschäftigungslosen Männern zwischen 15 und 30... eine natürliche Quelle der Gewalt innerhalb des Islam wie gegen Nichtmuslime." 7) Diese an sich richtige Einschätzung unterschlägt jedoch die Geburt der westlichen Moderne aus dem Geist des Progressismus und die philosophische Reflexion der sie begleitenden politischen, kulturellen und sozialen Veränderungen, und schneidet den Blick ab von den moralischen Wildwüchsen moderner Zivilisation, an deren Ende unangefochten die USA und das amerikanische Modell als "Führungsnation der westlichen Kultur" stehen, allein deshalb, "weil sie das mächtigste Land des Westens sind." 8)

Huntingtons Dämonisierung der nichtwestlichen Weltkulturen läßt dann zwangsläufig auch nur eine apokalyptische Prognose zu: "Weltweit scheint die Zivilisation in vieler Hinsicht der Barbarei zu weichen, und es entsteht die Vorstellung, daß über die Menschheit ein beispielloses Phänomen hereinbrechen könnte: ein diesmal weltweites finsteres Mittelalter." 9) Abgesehen davon, daß das Mittelalter so finster gar nicht war, hat sich unter dem Dach der Pax Americana und in der politisch-militärischen Organisationsstruktur der von den USA beherrschten Nato längst ein klassischer Gesamtimperialismus formiert, der auf der Verbreitung amerikanischer Ideen besteht und die "Werte" des sogenannten "American Way of Life" - die in erster Linie aus drittklassigem Tingeltangel und kultureller Prostitution bestehen -, auch in die entlegensten Winkel der Welt exportieren will.

Real- und machtpolitisch noch weitaus bedeutender als Huntingtons ökonomisch-kulturelle Strategieelemente ist jedoch der inzwischen ausdrücklich erklärte Anspruch, die miltärische Vorherrschaft der USA für alle Zeiten festzuschreiben. Dazu legte Präsident Bush Ende 2002 dem Kongreß ein Strategiepapier mit dem Titel "The National Security Strategy of the United States" (NSS) vor. Weit mehr als sein Titel verrät, definiert dieses Konzept die amerikanische Sicherheits- und Außenpolitik auf fundamentale Weise neu. So enthält das Papier die bereits zuvor verkündete Präventivschlag-Doktrin, die in Zukunft auf feindliche Staaten und Terroristengruppen Anwendung finden wird, von denen Gefahr ausgehen könnte Massenvernichtungswaffen herzustellen. Es gilt ab sofort das Prinzip der "Counterproliferation" bis hin zur gewaltsamen Entwaffnung unbotmäßiger Staaten. Die unilateralistische Schlüsselidee Bushs ist dabei der unbedingte Wille, jede ausländische Kraft daran zu hindern, mit der exclusiven militärischen Führungsrolle der Vereinigten Staaten zu konkurrieren. Jeder potentielle Feind hat mit Präventivschlägen zu rechnen, wenn er es wagt, die Macht der USA zu übertrumpfen oder auch nur mit ihr gleichzuziehen.

Das Strategiepapier wird als die Summe der präsidialen Visionen vorgestellt, die militärischen, ökonomischen und moralischen Ansprüche der USA nun in einer Doktrin festzuschreiben, die dem Rest der Welt für alle Zeiten sein machtpolitisches Wohlverhalten vorschreibt. Man befürchtet nicht mehr länger den "Kampf der Kulturen", sondern sucht ihn jetzt ausdrücklich: "Wir werden auch einen Krieg der Ideen führen, um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu gewinnen!" 10) Selbst die New York Times kam nicht umhin, in dieser koperkianischen Strategiewende ein sehr viel "muskulöseres und mitunter auch aggressiveres Verständnis nationaler Sicherheitsbelange" zu erkennen, als es je seit der Reagan-Ära formuliert worden wäre. 11) Ganz abgesehen davon ist das Strategie-Papier eine Blütenlese humanitaristischen Schwulstes und protestantisch-freimaurerischen Weltgesellschaftspathos, vermischt mit stärkster Aggressivität gegen die sogenannte "Achse des Bösen". Sein Hauptkennzeichen ist jedoch die Diskriminierung, Kriminalisierung und Dämonisierung des Feindes zum Unmenschen, wobei dieser - je nach Bedarf - auch ein Staat oder eine Nation sein kann. Frei nach Leopold von Ranke sind Staaten und Nationen jedoch "Gedankensplitter Gottes", was sich u.a. auch darin äußerte, daß z.B. der "gerechte Krieg" zur Zeit des katholischen Europas grundsätzlich mäßigende Wirkungen zeitigte, solange er innerhalb Europas geführt wurde. Eine Kriminalisierung des Feindes war weder bei den Kirchenvätern noch bei den Scholastikern intendiert.

Nach der Lesart dieser neuen expansiven Doktrin der NSS sind staatliche Souveränität und Völkerrecht nun zu Lehngütern geworden. Für George W.Bushs machtpolitische neue Weltordnung auf dem Boden amerikanisch definierter Glückseligkeit ist fremde Souveränität nichts als Ballast, den er mit einer kruden Mischung aus radikaler Militärpolitik, globaler Verordnung von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten, einer Weltgenesungstherapie und einem pseudoreligiösen, protestantisierenden Fundamentalismus abwirft. Tatsächlich hält sich gerade dieser Präsident für besonders fromm, religiös, moralisch und "strenggläubig", doch der angeblich feste Boden, auf dem er steht, ist der politische Messianismus des WASP (White Anglo Saxon Protestant", eine Ideologie, die an ihren extremen Rändern permanent Bigotterie und Blasphemie produziert. Beispielsweise wenn Bush mit den Worten "Licht der Welt", mit denen im Johannes-Evangelium Jesus Christus gemeint ist, die Vereinigten Staaten bezeichnet. Mit diesem ständigen Mißbrauch der Heiligen Schrift, ist es ihm gelungen vor allem jene Teile der amerikanischen Bevölkerung, die einer protestantischen Apokalyptik anhängen, die eigene imperialistische Mission schmackhaft zu machen. Das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, daß führende US-Politiker ebenso vollmundig wie unangemessen von einer "Weltinnenpolitik" reden, um dadurch einerseits von der inneren Krise der amerikanischen Gesell-schaft abzulenken und andererseits das Ende aller nationalstaatlichen Souveränitäten einzuläuten. Und die tragende Rolle als selbsternannter Weltpolizist im Weltordnungskrieg schließt dann selbstverständlich auch den Einsatz taktischer Atomwaffen ein, falls die USA auf ihrem Territorium und ihre im Ausland stationierten Truppen mit sogenannten Massenvernichtungswaffen angegriffen werden. Da zählt eine obszön auf den Namen "almighty" - "Der Allmächtige" - getaufte Kanone, die jetzt auch im Irak um Einsatz kommt, und mit der vermutlich zahlreiche Menschen getötet werden, noch zu den "harmloseren" Blasphemien. Es ist jedoch genau dieser "Auserwähltheitsanspruch" ("God's own country", "A Nation under God"), durch den sich die Bush-Administration offensichtlich zu ihren außen- und miltärpolitischen Amokläufen gerechtfertigt sieht. Das in der UN-Charta verankerte eindeutige Verbot "humanitärer Interventionen" und Präventivschläge bedeutet demnach für die USA als letzte Weltmacht nur Makulatur.

Die in der "Nationalen Sicherheitsstrategie" enthaltenen Ankündigungen zielen eindeutig in Richtung Irak und Al Quaida, darüber hinaus jedoch auch auf sämtliche anderen potentiell unbotmäßigen Staaten. Kein Wort verliert man hingegen darüber, daß die USA mit den wahhabitischen und verwandten geheimen Terrorgesellschaften nicht nur das bekommen, was sie verdienen, sondern auch das, was sie selbst jahrzehntelang gepäppelt und herangezogen haben. Kein Wort darüber, warum man ausgerechnet dem Irak mittels Bomben die Demokratie aufzwingen muß, anstatt für das Recht des irakischen Volkes einzutreten, sich undemokratisch regieren zu lassen. Kein Wort davon, daß das Strategiepapier mit seiner neuen außen- und militärpolitischen Doktrin das Völkerrecht vollständig außer Kraft setzt und einen militärischen Hegemonismus und skrupellosen Unilateralismus propagiert und praktiziert. Und natürlich nichts darüber, daß auch die Atombombe Israels eine Massenvernichtungswaffe ist, die den Weltfrieden jedenfalls mehr bedroht als die veralteten irakischen Kurzstreckenraketen, mit denen man vielleicht ein einigermaßen buntes Sylvesterfeuerwerk veranstalten, nicht jedoch einen Krieg führen kann.

Dennoch hat der Weltpolizist im ohnehin durch Saddam Husseins Regime und die seit Jahren andauernden UN-Sanktionen wirtschaftlich und sozial völlig ruinierten Irak jetzt zugeschlagen und durch diesen neuerlichen Weltordnungskrieg die Weltunordnung weiter verschärft. Die angeblich so chirurgisch-treffsicheren Bomben und laser-gestützten Waffen werden voraussichtlich tausenden Irakis den Tod bringen, was Bush und seine Spießgesellen Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz, Richard Perle und Condoleeza Rice nicht daran hindert den "gerechten Krieg" wieder zu entdecken. Der heilige Augustinus war an diesem Problem fast verzweifelt und der heilige Thomas von Aquin stellte vier Erfordernisse für den gerechten Krieg auf: das reine Friedensziel ohne Haß und Ehrgeiz, die justa causa, die Kriegserklärung durch die legitime Autorität und das Verbot jeglicher Lüge. 12) Außerdem war geboten, daß die Bestrafung des Unrechts weniger Leid, Elend und Blutvergießen nach sich ziehen müsse als das zu ahnende Unrecht selbst: "Der Gerechte Krieg mußte die Unordnung in der Welt vermindern, weil die Unordnung stets ein Indiz der Sünde ist". 13) Dieser kleine Ausflug ins Religiöse zeigt, welch satanische Kraft theologischen Begriffen innewohnt, wenn sie in die Gewalt bigotter Blasphemiker geraten, die sich selbstherrlich an die Stelle Gottes setzen und sich anmaßen über Leben und Tod entscheiden zu wollen. Den Weltfrieden wird man so mit Sicherheit nicht gewinnen, denn "er findet sich nur in der Achtung und Anerkennung des Feindes" 14), vor allem aber in der ewig gültigen Erkenntnis, daß einzig und allein Gott der Herr über Leben und Tod ist.

* * *
Anmerkungen:
1) Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. München 1917
2) Samuel P.Huntington: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21.Jahrhundert. München, Wien 1996
3) ebenda
4) So die Verlautbarung des Weißen Hauses im August 1996, mit der den "staatsterroristisch" agierenden "Reichen des Bösen" Irak, Iran, Syrien, Libyen der weltweite Kampf angesagt wurde. Zitiert nach Alain Gresh: Neuer Kreuzzug, in: Le Monde diplomatique, September 1996
5) Huntington: Kampf der Kulturen
6) ebenda
7) ebenda
8) ebenda
9) ebenda
10) Quelle: Telepolis-Heise-Online. Angriff ist die beste Verteidigung: Zur Nationalen Sicherheitsstrategie der USA, die Präsident Bush vorgelegt hat.
11) ebenda
12) Augustinus, De civitate Dei,XIX,7; Thomas von Aquin, Summa theologiae, II,II q. 40,a. 1-4
13) Günter Maschke: Frank B.Kellog siegt am Golf. Völkerrechtsgeschichtliche Rückblicke anläßlich des ersten Krieges des Pazifismus, in: Siebte Etappe, Bonn 1991
14) ders.: Frank B.Kellog siegt am Golf. 2.Teil, in Achte Etappe, Bonn 1992. Maschke erwähnt in diesem Zusammenhang jedoch ausdrücklich auch die "Nicht-Diskrimierung des Krieges": Die Frenetiker der Doktrin der Menschenrechte weigerten sich "dem Krieg und dem Feind ihre Rechte zurückzugeben". Nur dadurch könne man jedoch "die Kriege begrenzen, formalisieren und humanisieren." Angesichts der Fik-tion einer friedlichen, unkriegerischen Welt, von der unsere politisch-korrekten Gutmenschen wider besse-res Wissen in ihren schwärmerisch-pazifistischen Illusionen schwelgen, resultieren das Elend und die Trostlosigkeit der heutigen Situation wohl in der Tat daraus, daß es eben keinen echten Frieden gibt, weil der Feind diskriminiert wird, oder weil er nach demokratisch-pazifistischen Vorstellungen garnicht exi-stiert (weil es ihn ja nicht geben darf). Zu den Deutungen Bushs und Saddams, die beide den jeweiligen Feind als "Monster" und "Untermensch" stilisieren, stehen allerdings sowohl das klassische Völkerrecht als auch der "gerechte Krieg der alten Theologen und der "geregelte Krieg" eines Carl von Clausewitz in fundamentalem Gegensatz.

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HINWEIS

Verehrte Leser, auf die Auslassungen gegen verschiedene Mitarbeiter der EINSICHT und mich, die die Herren Böker und Rotkranz im letzten Heft von Kyrie Eleison meinten veröffentlichen zu müssen, werde ich nicht eingehen. Die Absichten der Verfasser lassen eine sachliche Diskussion nicht zu, da die Beiträge von Haß, Häme und Rachsucht geprägt sind. Es ist schon seltsam, in welcher Weise Herr Böker damit 'Stellung' nehmen will zu den skandalösen Zuständen im Kölner Meßzentrum. Solch geistige Sünden ziehen ihre Strafen unmittelbar auf sich: in Herne simuliert inzwischen Herr Lingen, der vorgibt, Priester zu sein, aber keiner ist, die 'Messe'.
Eberhard Heller

 
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